Zum Inhalt (Access key c)Zur Hauptnavigation (Access key h)Zur Unternavigation (Access key u)
leichte Spracheleichte SpracheEnglishEnglishDeutschDeutsch
Schriftvergrößerung
AAA

Wormser Propheten

Bereits vor Erscheinen der Lutherbibel druckte Schöffer 1527 mit den Wormser Propheten eine Übersetzung aller alttestamentlicher Propheten. Die beiden jungen Übersetzer (1500 geboren) waren die humanistisch gebildeten Täufer Hans Denck und Ludwig Hätzer. Denck wirkte ab 1523 zunächst als Schulrektor in Nürnberg. Er starb 1527 in Basel an der Pest. 

Hätzer wurde 1529 in Konstanz wegen Unzucht und Bigamie verurteilt und enthauptet. Anklagen dieser Art wurden häufig benutzt, um Täufer zu verfolgen. 

Titelblatt der "Wormser Propheten" mit Hätzers Wahlspruch "O Gott erlöß die gfangnen" 
Titelblatt der "Wormser Propheten" mit Hätzers Wahlspruch "O Gott erlöß die gfangnen"
Stich des Täufers und Bibelübersetzers Ludwig Hätzer, Bild: Wikimedia Commons 
Stich des Täufers und Bibelübersetzers Ludwig Hätzer, Bild: Wikimedia Commons

Schöffer, Denck und Hätzer

Im Jahr 1527 druckte Peter Schöffer der Jüngere „Alle Propheten nach Hebraischer sprach verteutscht. O Gott erlöß die gefangnen. M.D.XXVII“ , die als »Wormser Propheten« in die Fachliteratur eingeführt worden sind. Es handelt sich um eine Übersetzung aller alttestamentlichen Propheten. Peter Schöffer war elf Jahre in Worms tätig. Wegen seiner Nähe zu den Täufern wurde er Ende 1529 vertrieben und ging nach Straßburg, wo er 1547 starb.

Im Jahr 1529, kurz vor seiner Vertreibung, druckte Schöffer die »Wormser Bibel«, die erste deutschsprachige Vollbibel der Reformationszeit. Sie ist ein Beweis seines religiösen Engagements und zugleich sichtbares Beispiel für ein im 16. Jahrhundert noch völlig fehlendes »Copyright«. 

Die Zürcher Bibel erschien vollständig 1531 , die Lutherbibel wurde erst 1534 fertig. Aber es gab Vorabdrucke einzelner Teile, und so verwendete der geschäftstüchtige Schöffer für seine Ausgabe die Teile der Zürcher Bibel und der Lutherbibel, die bereits erschienen waren. Bemerkenswert ist, dass er für seine damals sensationelle Ausgabe der Gesamtbibel nicht die »Wormser Propheten« benutzte, obwohl er diese Übersetzung 1527 selbst gedruckt hatte.

Die geistigen Väter dieser Übersetzung waren Hans Denck und Ludwig Hätzer.

Hans Denck, der etwa 1500 in Heybach geboren wurde, studierte von 1517 bis 1519 in Ingolstadt und wurde dort vom Humanismus geprägt. Auf Empfehlung des Reformators von Basel, Johannes Oekolampad, war er ab 1523 als Schulrektor in Nürnberg tätig. Er wurde schon früh zum Kritiker der lutherischen Reformation, die in seinen Augen zu wenig die innere Wandlung des Menschen fördere, und deshalb 1525 aus Nürnberg ausgewiesen. Er kam nach St. Gallen und lernte dort das Täufertum kennen. 

 

In Augsburg taufte er dann Hans Hut, wiederholte also die Taufe, die an diesem als Säugling schon vollzogen war, und qualifizierte sich damit als Wiedertäufer. Eigentlich war er wohl eher Spiritualist, der humanistische und mystische Einflüsse miteinander verband. Denck war hochgebildet, und seine Toleranz wies über seine Zeit hinaus. Von Augsburg ging er nach Straßburg, von da im Januar 1527 nach Worms. Aber auch hier konnte er nicht bleiben. 

Noch im Sommer 1527 erfolgte die Ausweisung. Denck setzte sein Wanderleben durch Süddeutschland und die Schweiz fort, starb jedoch bereits im November des gleichen Jahres in Basel an der Pest. Er, dem es nicht vergönnt war, das 30. Lebensjahr zu erreichen, schwor am Ende seines Lebens dem Täufertum ab, nicht jedoch dem Spiritualismus.

Ein ebenso bewegtes Leben führte Ludwig Hätzer. Er wurde um 1500 in Bischofszell geboren, auch er erhielt eine humanistische Ausbildung. 1523 hielt er sich in Zürich im Umfeld Zwinglis auf. Radikaler als Denck, verfasste er 1523 eine Schrift gegen die Bilder in der Kirche, gemäß dem alttestamentlichen Bilderverbot. Als es in Zürich zu Auseinandersetzungen um die Kindertaufe kam, wurde er 1525 ausgewiesen. Sein Weg führte ihn durch Süddeutschland, immer wieder hatte er auch Kontakt zu »anerkannten« Reformatoren. 

In Augsburg und Straßburg begegnete er Hans Denck. Die Freundschaft und Zusammenarbeit der beiden begann und führte sie nach ihrer Ausweisung aus Straßburg nach Worms. Als sie Worms verlassen mussten, trennten sich ihre Wege. Hätzers Weg führte weiter durch Süddeutschland. 1529 wurde ihm in Konstanz der Prozess gemacht. 

Angeklagt der Unzucht und Bigamie, wurde er zum Tode verurteilt und enthauptet. Ob und wieweit die Anklage auf Tatsachen beruht, lässt sich aus den Quellen nur schwer ermitteln. Auf jeden Fall war dieser Weg bequem, einen unliebsamen Abweichler loszuwerden. Auch Hätzer stand der Täuferbewegung nahe. Durch den Einfluss Dencks wurde auch er zum Spiritualisten. Vor allem wurde er jedoch Antitrinitarier, der die Gottheit Christi leugnete. Er praktizierte damit Denkformen, die ihrer Zeit eigentlich voraus waren.


Täuferwirken in Worms

Das Motto Hätzers: »O Gott erlöß die gfangnen«, das allen seinen Schriften beigefügt ist, ziert die erste Wormser Ausgabe dieser Übersetzung. Als Randfiguren der frühen Täuferbewegung, die auch in Worms präsent war, hatten Beide es nicht leicht. Beide zogen durch Süddeutschland und wurden allenthalben an vielen Orten nicht geduldet. 

Die  beoden humanistisch Gebildet sind auch mit anderen Publikationen hervorgetreten,  ihre Sprache war im Süden wohl verständlicher als die Luthers. Die beeindruckendste Leistung von Denck und Hätzer war wohl die in Worms gedruckte Prophetenübersetzung. Im Januar 1527 kamen beide nach Worms, und am bereits 13. April erschien die gedruckte Ausgabe in 2 Formaten.

Die Übersetzungsleistung war enorm. 16 Prophetenbücher in so kurzer Zeit aus dem Hebräischen zu übersetzen, ist fast nicht möglich, und dazu mit den damals zur Verfügung stehen Hilfsmitteln. In der heute gängigen Ausgabe der hebräischen Bibel sind dies 452 Seiten in hebräischer und zum Teil aramäischer Sprache. Es ist wohl zu vermuten, dass die beiden Übersetzer bei ihrer Ankunft aus Straßburg schon etwas an geleisteter Vorarbeit im Gepäck hatten. .

Ludwig Hätzer schrieb in der Vorrede zu den »Wormser Propheten«, dass Gott ihm als Gehilfen Hans Denck gesandt habe, und fuhr fort, er und Denck hätten dann mit der Übersetzung des Propheten Jesaja begonnen. Denck und er hätten »ihren höchsten Fleiß und Verstand nicht gespart, auch kein Lesen unterlassen, nichts verachtet«, um zu ihrer Übersetzung zu gelangen, fuhr er fort. Die Übersetzung, die sprachlich süddeutschen Konventionen folgt, war jedenfalls ausgezeichnet, das musste auch Luther anerkennen.

In seinem Sendbrief vom Dolmetschen schrieb Luther: »Darum halt ich dafür, dass kein falscher Christ noch Rottengeist treulich dolmetschen könne; wie das deutlich wird in den Propheten, zu Worms verdeutschet, darin doch wahrlich großer Fleiß angewendet und meinem Deutschen sehr gefolgt ist. Aber es sind Juden dabei gewesen, die Christo nicht große Huld erzeiget haben – an sich wäre Kunst und Fleiß genug da«.  Also war es eine vermeintlich jüdische Mitarbeit, die Luther störte.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist tatsächlich anzunehmen, dass „Juden dabei gewesen“ sind. Einiges spricht dafür, dass Hätzer und Denck Kontakt zur jüdischen Gemeinde in Worms aufgenommen haben, sicher nachweisbar ist es leider nicht. Höchst wahrscheinlich haben sie aber auch rabbinische Bibelkommentare verwendet. Dabei bleibt unklar, welche Ausgabe des hebräischen Textes den beiden Übersetzern zur Verfügung stand. In Fußnoten begründen sie einzelne Übersetzungen und verweisen dabei häufig auf das jüdische Verständnis einzelner Verse.


Zu einzelnen Ausgaben

Die »Wormser Propheten« jedenfalls wurden philologisch und verlegerisch ein voller Erfolg. Peter Schöffer druckte in Worms im September 1527 eine weitere Ausgabe im   kleinen  Sedezformat. In der Wormser Stadtbibliothek kann man dieses Exemplar bewundern, es ist fast so dick wie breit, ca. 6 mal 9 cm groß, geeignet fürs Reisegepäck, vielleicht sogar für die Hosentasche. 

Bei dieser Ausgabe lässt Schöffer sowohl das Vorwort von Hätzer als auch dessen Motto »O Gott erlöß die gfangnen« weg, erst recht in einer im Jahr darauf besorgten Ausgabe. Er distanzierte sich so von den Vertriebenen, wie es auch andere Drucker in süddeutschen Städten taten.

Bereits in den ersten beiden Erscheinungsjahren 1527 und 1528 wurden in verschiedenen süddeutschen Städten zehn separate Ausgaben der »Wormser Propheten« gedruckt, bis 1531 – zwei Jahre nach der Hinrichtung Hätzers ‒ waren es zwölf Ausgaben. Dazu verwendete der Straßburger Drucker Wolfgang Köpfl 1530 und sogar noch 1536, zwei Jahre nach Erscheinen der Lutherbibel, die »Wormser Propheten« für eine gemischte Bibelübersetzung. Dagegen wurde der Verkauf zum Beispiel in Nürnberg, der ehemaligen Wirkungsstätte Hans Dencks, bereits im Mai 1527 verboten. Die »Visitenkarte« Hätzers »O Gott erlöß die gfangnen« wegzulassen, wurde für die Drucker dann sozusagen lebensnotwendig.

» Mensch es ist dir genugsam angesagt/ was gut sei/ und was der HERR von dir erfordere/ nemlich/ alleyn das recht halten/ und barmherzigkeyt lieben« So übersetzten Hans Denck und Ludwig Hätzer Micha 6,8. Ihrer beider Schicksal zeigt, dass sie nicht haben erfahren dürfen, dass ihre Mitmenschen ihnen gegenüber danach handelten.